Dienstag, 1. Oktober 2013

Fragment #10: Der Karren

Der Regen ergießt sich bereits in Strömen, als der Ochse zusammenbricht. Die Beine zittern und schwanken, und geben schließlich nach. Mit leisem Schmatzen fallen Kopf und Körper in den Schlamm und sinken hinein.

Daneben steht der Mann, die Hände vor das Gesicht geschlagen. Von den Ellenbogen und den krummen Knien tropft ihm das Wasser. Hemd und Hose sind dunkelbraun vor Nässe. Das Leder seiner Schuhe ist schon weit in den lehmigen, grauen Boden gesunken.

Auch die hölzernen Räder des Karrens stehen tief im Schlamm. Der Regen tropft schwer an den Speichen. An den Seiten der Ladefläche rinnt er hinab und durch die Spalten der ungerade gearbeiteten Balken hindurch.

Noch ein wenig atmet das Tier, doch die Geister erlischen bereits. Nur der einst mächtige Körper stemmt sich noch nass und mit letztem Zucken gegen das Vergehen.

Der Mann hält die Hände nun gesenkt und der Regen tropft von seinen gekrümmt hinab hängenden Fingern. Die Haut ist aufgequollen und gerötet. Unter den Nägeln klebt schwarz der Schmutz. Der Kopf ist herab gesenkt, das bärtige Kinn ruht auf der Brust. Die Augen blicken zu Boden und darüber hängen die ungeschnittenen Haare, schwarz vor Nässe, und das Wasser strömt und stürzt in kleinen Bächen daran hinab und in den lehmigen Boden hinein.

Der Wagen steht weiter unbewegt da, der Regen prasselt laut auf das Holz. Die Ladefläche ist leer.

Über allem erstreckt sich der schwere graue Wolkenhimmel, aus dem sich ohne Unterlass das Wasser ergießt. Keine Fuge, keine helle Fläche ist zu sehen. Erst am Horizonts verschmelzen Himmel und Erde im selben Dunkel. Die Landschaft darunter ist karg und eben, kein Baum, kein Strauch, kein Stein ist in der Nähe, kein Dorf, keine Stadt, kein Schloss in der Weite zu erkennen.

Irgendwann beginnen sich die Lippen des Mannes zu bewegen. Es ist kein Zitter oder Zucken, doch es sind auch keine klaren Worte, nur ein im Rauschen des Regens unhörbares Stammeln. Noch einmal heben sich die Augen, blicken dem Horizont entgegen, an dem Himmel und Erde im Dunkel zusammenfließen. Dann biegen sich die Beine und der ganze Körper beginnt, hinab zu sinken, zunächst langsam dann immer schneller, bis erst die Knie mit sachtem Klatschen in den Boden gleiten und bald schon der gesamte Körper voran kippt und, mit leisem Schmatzen, vom Schlamm empfangen wird.

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