Freitag, 21. Juni 2013

Fragment #6: Das Moor

Ein Kasten versinkt.
Zähe Blasen entstehen und vergehen,
bis er verschluckt ist.

Ein Pferd versinkt.
Seine Augen sind rot,
sein wilder Blick zuckt hin und her,
weiß schäumt es vor seinem Maul.
Es schreit im Wahn,
bis es verschluckt ist.

Ein Mensch versinkt.
Die Hände greifen um sich und bekommen nichts gefasst,
die Finger sind gekrümmt und zittern in Krämpfen,
die Augen rollen von links nach rechts, von oben nach unten.
Der Mund öffnet sich und schreit, dass die Zunge im Hals nur so flattert,
bis er verschluckt ist.

Sonntag, 16. Juni 2013

Fragment #5: Der Tod des Marionettenspielers

I. Die Marionette

Die Brust hebt und senkt sich wie ein Blasebalg, auf dem ein garstiger Troll auf- und abspringt. Arme und Beine kreisen rastlos über das Parkett, als würden sie von kichernden Gnomen hinter sich hergezogen und im Spaße übereinander gekreuzt und ineinander verbogen werden. Der kahle Kopf wiegt sich knarrend nach links und rechts, wie von feixenden Zwergen im Spiele hin- und her geworfen. Der Mund schließt und öffnet sich so schnell und überraschend, dass man glauben könnte, ein Kobold stehe lachend dabei und zerre nach Belieben an den Fäden. Die Augen jedoch sind starr zur Schwärze der Bühnendecke gerichtet.

Die Menge lacht nicht.

II. Der Marionettenspieler

Seine Haare liegen geknickt und verstreut darnieder, als wäre ein Nudelholz über sie hinweggefahren. Klebrig steht es ihm auf der Stirn und läuft und tropft an den Augenbrauen hinab nach den Seiten auf das Kissen, das schon feucht ist und trieft wie ein alter Käse.

Seine Augen wirken wie aus Quarkspeise und glänzen trüb und milchig im Licht des fahlen Abends. Obenauf prangen starr die Pupillen, als wären sie aus Lakritz gemacht. Die Ohren sind rot wie halbe Tomaten, die Nase ist blass und stumpf wie ein Champignon.

Über dem Rand der Decke liegen seine Fingerchen nebeneinander, aufgereiht wie dünne, blasse Würste, die nie gebraten wurden.

Unter der Decke scheint ihm Pudding durch die Adern zu fließen: Zäh und süß blubbert es in allen Gefäßen, so dass der Leib ganz fürchterlich zittert. Das Herz hat seine liebe Müh’ und quietscht wie ein Pfirsich, der geknetet wird. Und in den Därmen brodelt es, als würde dort eine starke Suppe vor sich hin brodeln. Heiße und scharfe Dämpfe steigen auf und vernebeln Geist und Gemüt.

Ganz unten liegen seine Beine, krumm und schief wie nur halb gekochte und dann zerbrochene Spaghetti. Die Zehen zucken noch ein wenig unter der Bettdecke, die wie ein fester Mantel aus Teig wirkt und den zarten Körper umschließt und einhüllt.

Aus der Ferne, von der Bühne her, erschallt das Lachen.

Donnerstag, 6. Juni 2013

Fragment #4: Der Eingegrabene

Er streckt die Hand empor zum Himmel, vor dem sich das dunkle Laub der Bäume leise bewegt. Unter den Fingernägeln klebt bereits das Schwarz des Bodens. Der Mund öffnet sich noch einmal zu einem Schrei, doch schon wird er von dunkler Erde gefüllt und bleibt stumm. Auch in die Nase dringt ihm das Schwarz und die im Unglauben aufgerissenen Augen verschließt es mit schwerer, feuchter Schicht. Noch zuckt die freie Hand oben am Arm, greift und will fassen, was nicht da ist und nie da war, und erstarrt bald. Der kleine Hügel darunter bebt noch etwas und zittert. Darüber rauscht weiter leise der Wind durch die Blätter, die schon vom Herbst künden. So bleibt der Arm starr und wartet.