Sonntag, 15. September 2013

Fragment #7: Schalen

Es ist eine Zeit, in der die Hände die gefüllte Schale nicht länger halten wollen. Schon schwappt und brodelt die Flüssigkeit unter dem Erzittern und Erschüttern des Haltenden. Die Oberfläche wellt und kräuselt sich und in diesen Unebenheiten scheint das gespiegelte Schwarz des Raumes für Momente aufgehoben.

Zu dieser Zeit hat sich gewöhnlich bereits ein anderes Paar Hände mit einer zweiten Schale jener ersten genähert, wo sie schon leer wartet. Jedes Mal erheben und nähern sich dann die ersteren Hände, welche das gefüllte Behältnis nicht mehr länger tragen wollen, bis sie geradewegs über dem zweiten Behältnis zum Halten kommen. Nun wird die Schale schief gestellt und erst in dünnem, dann immer breiterem Strahle ergießt sich die Substanz hinab in das neue Behältnis. Und nur einen Augenblick später wendet sich bereits der einstige Träger ab und verschwindet für immer in der Dunkelheit. Das erste Händepaar aber umgreift seine nun gefüllte Schale fester, denn die Flüssigkeit ist schwer. So steht es und rührt sich nicht, während die Substanz aufhört zu schwappen und zu gurgeln, und irgendwann an ihrem neuen Ort still zur Ruhe kommt.

Nun kann es jedoch passieren, dass kein zweiter Träger mit einer neuerlichen und leeren Schale aus dem Schwarz erscheint, um die schwere Flüssigkeit zu empfangen. Natürlich werden dennoch die Hände um die erste Schale unruhig und zittrig. Die Geduld scheint zu schwinden, der Ärger wird groß. Irgendwann geschieht es dann, dass sich die Hände trotz allem erheben, das Behältnis schief stellen und die Flüssigkeit ausgießen. Und so fließt und tropft die Substanz hinab ins Dunkel, wo sie sich bald verliert.

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